HANDWERK TRIFFT WISSENSCHAFT

Wir sind Schwaben, wir tüfteln und schaffen zusammen. In unseren #beckawissen Clips zeigen wir Euch Woche für Woche, wie einfach Brotbacken geht, warum echtes Getreide so wichtig ist und was eine lange Teigruhe ausmacht.

HEINER BECK UND FRIEDRICH LONGIN

EINE WISSENSCHAFT FÜR SICH: DAS BÄCKERHANDWERK

Auf einem Kongress finden Friedrich Longin und Heiner Beck zueinander. Beide sind sich auf Anhieb sympathisch und sie haben ein gemeinsames Thema: gutes Getreide als Grundlage für gute Backwaren. Doch was macht gutes Getreide aus? Wirkt sich nicht nur die verwendete Getreideart, sondern auch deren Standort auf den Geschmack und die Güte von Brot und Wecken aus? 

Gut, dass Heiner Beck ein Bäcker und Friedrich Longin ein Getreidewissenschaftler ist, denn was der eine kann, braucht der andere. Sofort tauchen die beiden tief hinein in die Grundlagenforschung. Anfangs prüft und vergleicht der Bäcker die Eigenschaften neuerer Züchtungen und alter Getreidesorten. Die hat der Wissenschaftler zuvor auf den Testfeldern seiner Universität angebaut. Systematisch untersuchen die beiden brotbegeisterten Schwaben Sorte um Sorte und sind begeistert von der unerwarteten Vielfalt. Sie bemerken neue Gerüche, unterschiedliche Geschmäcker bei derselben Sorte und sogar Farbvarianten.

Die Bandbreite wirft neue Fragen auf und befeuert den Forscherdrang weiter. Inzwischen füllt das gesammelte Wissen aus der Forschung von Friedrich Longin und Heiner Beck mehrere Veröffentlichungen. Bäcker können heute viel genauer erklären, warum etwa die Teigruhe so wichtig für die Qualität eines Brotes ist und was den Dinkel so Besonders macht. „Diese praktische Anwendung ist die Veredelung unserer Forschung“, schwärmt Friedrich Longin. Und Heiner Beck ergänzt: „Wir sind keine Partner, wir sind Freunde. Wir teilen dieselbe Leidenschaft und das ist einfach was Schönes!“

JEDE WOCHE EIN FILM ZUM THEMA #BECKAWISSEN

WAS SIND FODMAPS?

FODMAPs ist die englische Abkürzung für fermentierbare Oligo-, Di- und Monosachcharide sowie Polyole, also Zuckerbestandteile, die natürlicherweise in Obst (z.B. Apfel) und Gemüse (u.a. Kohl, Zwiebeln) reichlich vorkommt. Auch in Brotgetreide kommen diese Stoffe vor. Es könnte sein, dass für wenige Personen mit schmerzhaftem Reizdarmsyndrom, FODMAPs die Beschwerden fördern. Solange Brot aber nicht sehr kurz geführt wird, also die Hefe oder der Sauerteig im Teig zwei Stunden Zeit zum Gären hat, sind in den Backwaren aber fast keine FODMAPs mehr enthalten.

DAS GETREIDE MUSS ZUM BÄCKER PASSEN!

Die Qualität des Endprodukts startet mit dem Anbau des Getreides auf dem Feld der Landwirte. Hierzu setzen Landwirte immer bessere Technologien ein, damit stabile Erträge realisiert werden. Das Getreide muss natürlich auch zum Bäcker passen – das ist keine Modefrage – sondern die Sicherung der Qualität im Endprodukt.

WIESO IST BROT NICHT IMMER GLEICH?

Auch wenn man immer das gleiche Mehl kauft, kommen beim Backen mit dem Lieblingsrezept unterschiedliche Backwaren heraus. Das liegt meistens gar nicht an uns selbst, sondern daran, dass es hunderte verschiedene Sorten Weizen im Anbau gibt und dass der Anbauort auch die Qualität beeinflusst. Mehl ist ein Naturprodukt und je nachdem welche Charge der Müller vermahlen hat, ist die Mehlqualität in der Packung eine leicht andere. Das Brot erhält somit seinen eigenen Charakter.

WAS BEDEUTET REGIONALITÄT BEI BROT?

Die Qualität vom Getreide hängt sehr stark vom Wetter bei der Ernte ab. Wenn es z.B. vermehrt regnet, wird die Qualität schlechter und im schlimmsten Falle auch sichtbar in Brot und Brötchen. Um an Regionalität festzuhalten erfordert es daher die offene Kommunikation zum Kunden: Meine Backwaren sehen nach dieser Ernte etwas anders aus, aber sie kommen aus unserer Heimat! Die Alternative: Die Bäcker weichen auf Importware aus und verlassen damit aber die heimische Landwirtschaft und vergeben zudem eine einmalige Chance: Brot mit echtem Charakter zu haben!

DER BÄCKERBERUF IST SCHÖN!

Ein Bäcker muss zu sich selber ehrlich sein und dazu Leidenschaft und Herzblut für seinen Beruf mitbringen. Damit wird er die besten Produkte schaffen, die seine Kunden, seine Mitarbeiter und ihn täglich erfreuen und den Erfolg seines Handwerks sichern. Dabei sollte die Leidenschaft nie durch reine Zahlenwerke gebremst werden.

DIE NEUE BÄCKERGENERATION

Heute soll alles möglichst schnell gehen und mit möglichst wenig Einsatz (idealerweise mithilfe vieler Maschinen) fertig werden. Das ist das Ende des Bäckerhandwerks, weil das Verständnis für den Teig und die Leidenschaft für das Produkt verloren geht. Zum Glück gibt es wieder vermehrt junge Bäcker, die diese Leidenschaft wiederentdecken. Zusammen müssen wir dem Kunden neu beibringen, wie er die Unterschiede zwischen leidenschaftlichem Qualitätsprodukt und Massenware erkennt und wieder schätzt.

WORAN ERKENNE ICH GUTES MEHL?

Es gibt duzend verschiedene Mehle zu kaufen aber selbst für den Profi ist es sehr schwierig direkt am Mehl zu erkennen, wie gut die Backqualität ist. Am einfachsten ist es, man macht daraus einen Teig und betrachtet die Dehnbarkeit des Teiges. Qualität hat auch hier seinen Preis, denn Weizensorten mit besserer Backqualität haben einen geringeren Ertrag je Fläche beim Landwirt und sind somit teurer im Einkauf für den Müller und somit dann auch für uns als Bäcker.

KONVENTIONELLES FELD

Der Dinkel ist das traditionelle Brotgetreide der schwäbischen Alb. Er kommt gut mit dem rauen Klima zurecht und prägt mit seiner rötlich braunen Farbe unsere Landschaft im August. Der Dinkel hat einen einzigartigen Charakter. Mit etwas handwerklichem Geschick lassen sich hervorragende Gebäcke und Geschmäcker schaffen.

100% REINER ALBDINKEL

Der Dinkel ist das traditionelle Brotgetreide der schwäbischen Alb. Er kommt gut mit dem rauen Klima zurecht und prägt mit seiner rötlich braunen Farbe unsere Landschaft im August. Der Dinkel hat einen einzigartigen Charakter. Mit etwas handwerklichem Geschick lassen sich hervorragende Gebäcke und Geschmäcker schaffen.

MACHT WEIZEN WIRKLICH KRANK?

Es gibt drei medizinisch anerkannte Krankheiten, die von Weizen ausgelöst werden: Zöliakie, eine Glutenunverträglichkeit, unter der ca. 1% der Bevölkerung leidet. Weizenallergie, eine klassische Allergie unter der ebenfalls ca. 1% der Bevölkerung leidet, sowie die Weizensensitivität. Bei dieser Krankheit schwanken die Schätzungen zwischen 1-10%, da man sich noch nicht sicher ist, was Weizensensitivität auslöst und wie viele betroffen sind. Für den Rest der Bevölkerung gilt, dass Vollkornweizen ein wichtiger Bestandteil einer gesunden Ernährung ist.

WIE BACKE ICH GUTES BROT ZU HAUSE?

Gutes Brot selber zu backen ist gar nicht so schwer, wenn man ein paar kleine Dinge beachtet: gute Zutaten & Zeit für den Teig sind entscheidend.

WEIZEN IST EIN LEBEWESEN

Weizen ist ein Naturprodukt, jedes Korn ein Lebewesen, welches neu ausgesät zu einer neuen Pflanze heranwächst. Dieses Grundverständnis ist wichtig, um auf die Besonderheiten jeder Korn- bzw. Mehllieferung einzugehen und somit beste Qualitäten in der Backstube zu realisieren. Dabei untermauert eine alte Weisheit die notwendige Ruhe: „das Weizenkorn braucht drei Monate im Lager, das Mehl drei Wochen und das Brot drei Tage“.

LICHTKORN-ROGGEN

Der Lichtkorn-Roggen ist eine besondere Roggenart, der sehr helle Körner besitzt und somit auch ein helleres Brot ergibt. Die alte Landsorte wird sehr hoch, hat Ähren mit Grannen und bietet ein ganz besonderes Geschmackerlebnis. Im Sommer, wenn der Wind durch diese Felder weht, wirkt die Landschaft wie ein Meer – aus sich hin- und herwiegenden Pflanzen.

MACHT WEIZEN ABHÄNGIG?

Dafür fehlt jeder wissenschaftliche Beweis. Nur weil im Weizenkorn Stoffe identifiziert wurden, die wie Opiate aussehen, heißt das noch nicht, dass die Opiate auch wirken. Denn damit ein Opiat wirkt, muss es auch erst im menschlichen Körper aufgenommen werden und einige menschliche Schutzmechanismen überwinden.

WAS IST GLUTEN UND WAS TUT ES?

Gluten ist ein Überbegriff für eine ganze Familie an Proteinen, die natürlicherweise in allen Weizenarten vorkommt. Es verleiht dem Weizen die absolute Besonderheit beim Backen im Vergleich zu anderen Rohstoffen wie Mais, Buchweizen oder Kartoffel: nur dank Gluten ergeben sich luftig lockere Gebäcke oder auch Pasta al dente. Ohne Gluten kann man solche Gebäckeigenschaften nur mit sehr viel Technologie und/oder Zusatzstoffen herstellen, meistens dann aber trotzdem nicht so gut und nahrhaft wie mit Weizen.

HABEN ALTE WEIZENSORTEN MEHR GLUTEN?

Entgegen vieler Behauptungen haben alte Weizensorten mehr Gluten als moderne. Aber bei vielen Backwaren wird Gluten nochmals extra zugefügt, damit noch größere Brotvolumen erreicht werden und eine einfachere Teighandhabung möglich wird. Nachfragen beim Bäcker lohnt. Übrigens: Gluten ist der auslösende Stoff bei der Zöliakie, für Menschen ohne Zöliakie gibt es aber keinen Beweis, dass evtl. höhere Glutengehalte negative Gesundheitswirkungen haben könnten.

DIE WERTSCHÖPFUNGSKETTE

Die Qualität des Brotes fängt bei der Aussaat des Getreides im Feld an, geht weiter über einen sorgsamen Anbau beim Landwirt – zu einem Müller, der die Sorten mischt und zu bestem Mehl vermahlt. Bei dem Bäcker wird diese Besonderheit der ganzen Wertschöpfungskette zu Produkten veredelt. Dabei ist Kommunikation auf Augenhöhe und partnerschaftlicher Umgang miteinander ein Garant für Erfolg.

WO MÜSSTE DIE ZUKUNFT HINGEHEN?

Die meisten von uns leben weit weg von Landwirtschaft und Betrieben, die Lebensmittel herstellen und in der Schule lernt man hierzu auch wenig. Es entstehen Vorurteile und Fehleinschätzungen und man versteht häufig nicht mehr, was beispielsweise der Landwirt tut und warum. Qualitätsanforderungen sind heute häufig makellos im Aussehen, günstig, aber Geschmack und Inhaltsstoffe sind egal. Wenn wir uns alle wieder mehr für die Produktion unserer Lebensmittel interessieren, können wir auch gemeinsam die Zukunft wertvoll gestalten und unser Handeln kann sich wieder besser mit unseren Wünschen decken.

MODERNE LANDWIRTSCHAFT

Eine wachsende Weltbevölkerung muss in Zeiten des Klimawandels ernährt werden. Das geht nur, indem weniger Nahrungsmittel weggeschmissen werden, andere Ernährungsgewohnheiten geschaffen werden und Landwirte weiterhin hohe Erträge mit besten Qualitäten realisieren. Hierzu setzen viele Landwirte immer bessere Technologien ein, die helfen, dass stabile Erträge unter geringerem Einsatz von Spritz- und Düngemitteln bei bodenschonender Bearbeitung realisiert werden. Es heißt aber auch, dass wir das Verbrauchervertrauen in die moderne Landwirtschaft wieder gewinnen sollten. Unsere Landwirte arbeiten ohne den Einsatz von Spritz- und Düngemitteln, deshalb ist das Verbauchervertrauen für uns noch wichtiger.

WAS IST VOLLKORN?

Beim Vollkorn wird das gesamte Korn vermahlen, während beim weißen Mehl nur die innersten Kornbestandteile in Mehl verwandelt werden. Da aber die meisten gesundheitsförderlichen Inhaltstoffe, wie Ballaststoffe, Mineralstoffe und Vitamine in den Korn-Randschichten und dem Keimling sitzen, sind diese auch nur im Vollkornmehl enthalten. Das sieht man auch – das Mehl und das Endprodukt sind etwas dunkler und beinhalten kleinere Schalenteilchen. Zudem hat das Vollkornbrot eine eher kompakte Krume.

DUNKLE FARBEN BEDEUTEN OFT NICHT VOLLKORN

Eine dunkle Brotfarbe signalisiert Vollkorn, es ist aber nicht immer Vollkorn drin. Denn die dunkle Farbe wird ebenfalls durch die Verwendung von Malzmehl und weißem Mehl erreicht. Außerdem kann ein Vollkornbrot nicht so locker und luftig, wie ein Weißbrot sein, denn die Kornschalenbestandteile verringern das Backvolumen. Hinschauen lohnt sich, wenn nicht explizit Vollkorn draufsteht, ist auch nicht Vollkorn drin.

WAS IST TEIGRUHE?

Teigruhe bezeichnet die Zeit, in der der Teig angesetzt ist und ruht – aber von Ruhe kann keine Rede sein. Viele wichtige Prozesse laufen während dieser Teigruhe im Teig ab. Die Hefe, Sauterteigbakterien und die getreideeigenen Enzyme arbeiten auf Hochtouren. Sie machen das Brot schmackhaft, saftig, intensivieren die Farbe und verbessern die Verfügbarkeit von Nährstoffen. Viele Menschen empfinden auch eine bessere Verträglichkeit dieser Produkte, weil die FODMAPs bei einer längeren Teigruhe abgebaut werden.

VOLLKORN UND TEIGFÜHRUNG – EIN TRAUMPAAR

Vollkorngetreide ist ein wesentlicher Bestandteil einer gesunden Ernährung. Ein Teil der Mineralstoffe im Vollkornmehl wird aber für uns Menschen erst verfügbar, wenn eine lange Teigruhe beim Backen genutzt wurde. Die Teigruhe hilft besonders beim Vollkorn – die Brote werden nicht trocken, sondern saftig und aromatisch. Vollkornbacken mit kurzer Teigruhe ist also wie Porsche fahren, aber Diesel tanken.

DIE GANZE STORY HINTER
HEINER BECK UND FRIEDRICH LONGIN

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